Fachaustausch der Landesarbeitskreise und Fachverbände
Beim jährlichen gemeinsamen Fachaustausch der Landesarbeitskreise und Fachverbände der eaf beschäftigten wir uns 2024 mit dem Reformbedarf im Familienrecht. Das vorzeitige Aus der Ampelregierung durchkreuzte den Plan, anhand der Eckpunkte des Bundesministeriums der Justiz und der kurz zuvor durch die Presse bekanntgewordenen Gesetzesentwürfe über die von der Regierung geplante Familienrechtsreform zu diskutieren. Denn die Ankündigung von Neuwahlen im Februar 2025 machte klar, dass die Zeit für das Gesetzgebungsverfahren in der nun verkürzten Legislaturperiode nicht mehr ausreichen und mit der angekündigten Familienrechtsreform in dieser Form nicht mehr zu rechnen sein würde. Deshalb entschlossen wir uns, grundlegend darüber zu diskutieren, welchen Reformbedarf die eaf im Familienrecht sieht und welche Forderungen in der nächsten Wahlperiode erhoben werden könnten.
Dr. Romy Ahner, Wissenschaftliche Referentin im Deutschen Verein für öffentliche und private Fürsorge (DV), stellte uns zunächst den Reformbedarf aus Sicht des DV vor. Thema waren zuerst die Reformbedarfe im Sorge-, Umgangs- und Unterhaltsrecht und anschließend die Reformbedarfe in Bezug auf den Gewaltschutz im Familienrecht. Zu beiden Themenbereichen hat der DV Empfehlungen an die Politik veröffentlicht, die die eaf in den entsprechenden Arbeitsgemeinschaften des DV mit erarbeitet hat. Die lebhaften Diskussionen mit den Teilnehmenden wurden von Sigrid Andersen, Wissenschaftliche Referentin in der eaf-Bundesgeschäftsstelle, moderiert. Dabei tauschten wir uns auch über mögliche familien- und familienverfahrensrechtliche Forderungen der eaf für die nächste Wahlperiode aus.
Einigkeit bestand darüber, dass sich die eaf für die Gleichwertigkeit aller Betreuungsmodelle sowohl im Familienrecht des BGB als auch bei der Regelung der Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung im SGB VIII einsetzt. Beratung sollte ergebnisoffen sein und Eltern auch über die rechtlichen und finanziellen Folgen von Sorge- und Betreuungsvereinbarungen informieren. Dafür müssen die Ressourcen der Beratungslandschaft gestärkt werden. Unterhaltsrechtliche Reformen sollten eine asymmetrische Arbeitsverteilung von Eltern vor der Trennung berücksichtigen und Allein- und hauptbetreuende Elternteile, die bereits jetzt besonders häufig von Armut betroffen sind, finanziell nicht noch weiter unter Druck setzen. Umgangs- und betreuungsbedingte Mehrbelastungen sollten im Sozial- und Steuerrecht berücksichtigt werden, während im Unterhaltsrecht die tatsächliche Bedarfsdeckung des Kindes oberste Priorität haben muss.
Im Bereich Gewaltschutz waren die Teilnehmenden einhellig der Ansicht, dass die eaf sich weiterhin für die Umsetzung der Istanbul-Konvention (IK) stark machen muss. Dazu gehört der gesetzliche Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung bei Gewaltbetroffenheit in Form eines Gewalthilfegesetzes, die gesetzliche Verankerung von Gewaltschutz im Umgangs- und Sorgerecht sowie die gesetzliche Verankerung von Gewaltschutz im Familienverfahrensrecht.
Wir diskutierten in diesem Zusammenhang auch die fehlende Kenntnis der IK bei Verfahrensbeteiligten und deren unzureichende Qualifikation im Bereich des Gewaltschutzes. Auch über eine bessere Sensibilisierung der Jugendhilfe und der Frühen Hilfen wurde gesprochen und die bundesweit unterschiedliche und unzureichende Präventionsarbeit und deren begrenzte Ressourcen beklagt. Ebenso wurde die Idee einer eigenen Familiengerichtsbarkeit angesprochen.
Zudem wurde auf die Möglichkeit einer bundesweit zur Verfügung stehenden, kostenlosen und interdisziplinären Online-Weiterbildung zu Schutz und Hilfe bei häuslicher Gewalt hingewiesen. Näheres dazu unter: https://haeuslichegewalt.elearning-gewaltschutz.de/
Zur Sprache kamen auch Probleme der Umgangspflegschaft und des Verfahrensbeistands und die mögliche Vorbildfunktion des österreichischen Nachbarn. Dort verbringt ein sogenannter „Kinderbeistand“ wesentlich mehr Zeit als der deutsche Verfahrensbeistand mit dem Kind, um das kindliche Erleben zu verstehen und die Meinung des Kindes in das Gerichtsverfahren zu transportieren. Auch die in Österreich vorgeschriebene Zulassung als Kinderbeistand durch eine zentrale Stelle wurde positiv diskutiert. Weiter wurden die fehlenden Ressourcen in den Erziehungsberatungsstellen und die fehlende Finanzierung von Paarberatung thematisiert.
Unsere Exkursion führte uns diesmal in das Kinderhaus des Familiengerichts am Amtsgericht Kreuzberg. Die hauptamtliche Erzieherin stellte uns die hochinteressante Geschichte und die großen Herausforderungen dieses 1995 eröffneten besonderen Schutzraumes für Kinder und Jugendliche am größten Familiengericht Deutschlands vor. Dort werden Kinder und Jugendliche betreut, während die familiengerichtlichen Verfahren laufen und Richter:innen und Verfahrensbeiständ:innen können in einer kindgerechten Umgebung Anhörungen und Gespräche durchführen.

