Gleichstellungspolitische Forderungen der eaf

Der Erste Gleichstellungsbericht der Bundesregierung hat deutlich gemacht, wie sich situativ bedingte Entscheidungen von Männern und Frauen im Lebenslauf als langfristige Weichenstellungen auswirken. Allen Gleichstellungsbemühungen der letzten 40 Jahre zum Trotz ist das immer noch häufig zum Nachteil von Frauen. Die eaf unterstützt die Perspektive „Lebensverlaufspolitik“, denn damit können die sich stetig ausdifferenzierenden Lebenslagen von Menschen langfristig in den Blick genommen werden. Sie trägt zur Beurteilung zukunftsträchtiger familienpolitischer Weichenstellungen bei.

1) Abbau institutioneller Fehlanreize und Inkonsistenzen

Die verschiedenen Rechtsbereiche (Sozialrecht, Unterhaltsrecht, Steuerrecht, Familienrecht), die die das Leben von Familien und Paaren regeln, weisen Widersprüchlichkeiten auf, die oft erst im Konfliktfall bemerkt werden. Etliche Regelungen haben ihren Ursprung in Lebenswirklichkeiten, die heute nur noch selten anzutreffen sind. Die eaf plädiert sowohl für die Individualbesteuerung als auch für individuelle Rentenbiografien. Unterhaltsverpflichtungen müssen mit entsprechenden Freibeträgen wirksam werden. Pflege- und Betreuungsaufgaben müssen in der Rentenberechnung positiv wirksam werden.

  • Deshalb macht die eaf bestehende Fehlanreize in den jeweiligen Rechtsbereichen deutlich und wirkt auf ihren Abbau hin.

2) Ausbau der Kinderbetreuung und Verbesserung der Rahmenbedingungen für Erwerbstätige mit Pflegeaufgaben

Ab August 2013 gilt der Rechtsanspruch auf einen Bildungs- und Betreuungsplatz für Kinder ab einem Jahr. Die Nachfrage von Eltern ist deutlich höher als der ursprünglich angestrebte Anteil von 30 % Plätzen für einen Jahrgang. Das heißt, der Ausbau von Krippenplätzen muss weiter forciert werden.

Ähnlich wird es sich mit dem Bedarf von wohnortnaher Pflegeinfrastruktur verhalten. Durch den demografischen Wandel wird es in absehbarer Zeit mehr pflegebedürftige Personen geben. Viele Pflegende stehen noch im Berufsleben oder sind ebenfalls hochaltrig, so dass sie bestimmte Aufgaben der Pflege nicht mehr leisten können.

  • Die eaf hat sich für beide Themen in den letzten Jahren sehr engagiert und wird dies weiter tun. Mit der eaf-Kampagne „Pflege in guter Gesellschaft“ wurde die Pflege von Angehörigen als familienpolitisches Thema etabliert. Arbeitgeber sind aufgefordert, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer mit Pflegeverantwortung ebenso zu unterstützen wie Mitarbeitende mit kleinen Kindern.

3) Beseitigung der Förderung von Minijobs

Minijobs oder auch 450-Euro-Jobs gelten mitunter als Lösung zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Vielfach sind sie aber auch das einzige Angebot für Menschen, die in Teilzeit arbeiten wollen. Minijobs werden überwiegend von Frauen ausgeübt und tragen so zum geringeren Einkommen und den zu niedrigen Rentenansprüchen von Frauen bei. Diese Tätigkeiten sind weder existenzsichernd noch führen sie zum Übergang in reguläre Arbeitsverhältnisse. Wer sich einmal – vermeintlich vorübergehend - für die Arbeit in Minijobs entschieden hat, kommt selten wieder heraus („Klebeeffekt“), das müssen vor allem Wiedereinsteigerinnen in den Beruf nach einer Familienphase schmerzvoll erfahren.

  • Minijobs setzen Fehlanreize, die überwiegend zum Nachteil von Frauen wirken. Die eaf plädiert für Maßnahmen, die Frauen und Männer in Existenz sichernde Arbeitsplätze bringen.

4) Mindestlöhne und Aufwertung von Frauenberufen

In Deutschland ist der Gender Pay Gap (die Lohnlücke zwischen Männern und Frauen) mit 22% im Jahr 2012 besonders groß. Dies hängt u. a. mit den traditionell schlechter bezahlten ’Frauenberufen’ im Bildungs- und Pflegebereich zusammen. Diese Berufe gewinnen aber zunehmend an Bedeutung für die Gesellschaft. Schon jetzt ist der Mangel an Pflegefachkräften spürbar. Ein Mindestlohn kann helfen, beseitigt aber noch nicht den Gender-Pay-Gap. Um Veränderung zu erreichen muss das Bewusstsein der Tarifpartner wachsen und politischer Wille erkennbar werden.

Die Bewertung von Tätigkeiten ist vor allem eine politische Angelegenheit, wie zurzeit am Bespiel des Erzieher(innen)berufs deutlich wird. Herrschte noch vor kurzem die Meinung vor, dass quasi naturgegeben jede Frau erziehen kann, wächst inzwischen die Einsicht, dass es sich um einen pädagogischen Beruf mit spezifischen Anforderungen und einer hohen Verantwortlichkeit handelt. Die Bezahlung von Erziehern und Erzieherinnen hinkt dieser Einsicht hinterher, was auch viele Männer davon abhält, sich für diesen Beruf zu interessieren. Ähnliche Entwicklungen bahnen sich auch in anderen Pflege- und Betreuungsberufen an.

Doch nicht nur Frauenberufe sind schlechter bezahlt; Frauen erhalten auch bei gleicher Arbeit weniger Lohn. Der „bereinigte“ Gender-Pay-Gap beträgt immer noch 8 %. Um diese Lohn- und Gerechtigkeitslücke zu beseitigen, bedarf es der gemeinsamen Anstrengungen und dem Willen (!) von Tarifparteien und Politik

  • Die eaf hat immer wieder darauf hingewiesen, dass Investitionen in die wohnortnahe Infrastruktur Familien wirksamer unterstützen als immer neue Transferleistungen, die zudem oft noch zu bürokratisch gestaltet sind und stigmatisierend wirken können. Gesellschaftliche Verantwortung für Care-Aufgaben könnte sich auch darin zeigen, dass verbindliche Netzwerke (Mehrgenerationenhäuser, Familienzentren, Frühe Hilfen, Zeitbüros, Familiennahe Dienstleistungen) bundesweit und kommunal langfristig gefördert werden.

5) Abbau von Rollenstereotypen- Familien- und Gleichstellungspolitik muss beide Geschlechter ansprechen

Boys´ Days und Girls´ Days versuchen, Kinder und Jugendliche für Arbeitsbereiche des jeweils anderen Geschlechts zu interessieren. Das reicht aber bei Weitem nicht aus. Besonders die Vielfalt der Lebensentwürfe von Frauen in den letzten 40 Jahren hat zu gesellschaftlichen Veränderungen geführt. Inzwischen verändern sich auch männliche Lebensläufe und vor allem Väter leben ihre Vaterschaft nicht mehr nur als Familienernährer, sondern vermehrt auch als aktiv betreuende Väter.

  • Die eaf spricht sich dafür aus, die Vielfalt weiblicher und männlicher Lebensgestaltungsmöglichkeiten in Forschung und Praxis weiter zu entwickeln. Politik muss den Rahmen für die Verwirklichung individueller Lebensentwürfe schaffen und nicht Leitbilder vorgeben.

6) Eine lebenslauforientierte Gleichstellungspolitik

In jüngster Zeit entwickelt sich Zeitpolitik als neues Politikfeld. Zeitliche Engpässe treten nicht nur im Alltag, sondern auch im Lebenslauf auf. In der sogenannten Rush Hour des Lebens zwischen etwa 25 und 45 Jahren fallen Berufseinstieg, Karriereverläufe und Familiengründung zusammen. Eine Entzerrung dieser sehr dichten Lebenszeit kann durch die Politik unterstützt werden (z. B. Familiengründung in der Ausbildung, Aufhebung starrer Altersgrenzen). Aber auch Unternehmen müssen umdenken: Mitarbeitende sind auch über 50 sowohl fortbildungswillig als auch leistungsfähig und sie verfügen in einem hohen Maß über Erfahrungswissen.

Der Austausch von Menschen im „Zeitwohlstand“ mit denen in Zeitnot ist ein weiteres politisch zu gestaltendes Feld.

  • Die eaf weist darauf hin, dass der innerfamiliäre Austausch an Unterstützung nach wie vor hoch ist. Aber mitunter sind große Entfernungen hinderlich und auch nicht alle können auf familiäre Hilfe zurückgreifen. Ein breitgefächertes Angebot ist daher notwendig. Familienzentren, Mehrgenerationenhäuser, Pflegestützpunkte, Bibliotheken oder Schulen in ländlichen Gebieten sind zum Teil schon wirksame Kristallisationspunkte für solche Netzwerke.

7) Quotierung für Aufsichtsräte und Führungspositionen

In Norwegen hat es begonnen und viele europäische Länder sind diesem Beispiel inzwischen gefolgt: die Quotierung von Frauensitzen in Aufsichtsräten. Dabei hat sich auch hierzulande gezeigt, dass ohne Quoten eine Besetzung von Spitzenämtern mit Frauen nur sehr mühsam voranschreitet. Dabei darf sich eine gesetzliche Regelung nicht auf Aufsichtsräte beschränken, sondern muss auch Vorstände miteinbeziehen, damit sich endlich in den Unternehmenskulturen etwas ändert.

  • Die eaf setzt sich seit langem für Geschlechtergerechtigkeit ein. Anders als bei den Spitzenpositionen in der Arbeitswelt muss allerdings im Familien- und Sozialbereich eher darauf geachtet werden, dass Männer in ausreichender Zahl beteiligt sind, um die angemahnte Geschlechtergerechtigkeit im sozialen Bereich auch durch Männer zu repräsentieren.

8) Forderung zur Paar-, Familien- und Lebensberatung

Thesen zur fachpolitischen Orientierung des EZI für die Integrierte Familienorientierte Beratung® (IFB), 2009-2012